Phönix aus der Asche! – Über die Wiederbelebung eines alten Teleskops, Teil 2

Daniel Bockshecker an seinem neuen Teleskop(Gastbeitrag von Daniel Bockshecker) Findet Daniel Bocksheckers Wiederbelebung eines alten Kellerteleskops ein gutes Ende? Lesen Sie hier die Fortsetzung seines spannenden Berichts. Wird das alte Celestron 8 Teleskop sein überzeugendes „Second Light“ erleben und haben sich die Mühen der aufwendigen Instandsetzungsarbeiten gelohnt?

Lesen Sie auch den ersten Teil von Daniel Bocksheckers Bericht.

Teil 2 – Phönix aus der Asche!

Die Mechanik

Nachdem ich nun die Optik gereinigt hatte, ging es an die Mechanik. Ich setzte die Gabelmontierung samt Tubus auf die Polhöhenwiege und schraubte sie mit drei großen Messingschrauben fest. Als erstes sah ich mir alles genau an und begann damit, mich mit der Funktionsweise der gesamten Technik vertraut zu machen. Alles funktionierte perfekt und war auch sehr leicht zu durchschauen. Bis auf eine Sache: Die Feineinstellung der Deklinationsachse. Sie funktioniert manuell oder wird von einem Elektromotor über einen Gummiring angetrieben. Mit der Drehung wird eine Gewindestange in Bewegung gesetzt, auf der wiederum ein Arm angebracht ist, der aufgrund der Drehung hin und her bewegt wird. Dieser Arm ist mit dem rechten Gabelgelenk verbunden, mit dem der Tubus auf der Deklinationsachse bewegt wird.

DeklinationsachseFoto oben: Die Mechanik der Feineinstellung der Deklinationsachse

Die Gewindestange saß sehr fest und ließ sich keinen Millimeter bewegen. Auch nicht mit einer Zange. Ich vermutete anfangs, dass sie festgestellt ist und ich nur herausfinden müsste, wie man sie losbekommt. Aber auch die Stellschraube, mit der die Gewindestange gehalten wird saß extrem fest. Fettrückstände in der gesamten Vorrichtung verrieten mir aber, dass es sich aber bewegen lassen musste. Aber wie? Dann kam mir die Idee, Alle besagten Teile mit Ballistol, einem sehr guten Kriechöl und Gleitmittel, einzusprühen. Nach einiger Zeit lockerten sich alle Teile und ich konnte sie immer mehr bewegen, bis es ganz leicht ging. Die alten Fettrückstände bröckelten heraus. In all den Jahren ist das Fett in der Mechanik derartig ausgehärtet, dass sich nichts mehr bewegen ließ. Ich war froh, dass ich das Problem nun gelöst hatte. Mit der Feineinstellung kann der Tubus um 10° bewegt werden.

Die Elektronik

Nun wandte ich mich der Steuerelektronik zu. Alle dazugehörigen Teile breitete ich als erstes auf dem Boden aus, um mir einen Überblick zu verschaffen. Es handelte sich um ein größeres und ein kleineres Steuergerät, sowie etliche Kabel. Da ich ja nicht wissen konnte, in welchem technischen Zustand die einzelnen Teile waren, unterzog ich die gesamte Elektronik einem Sicherheitscheck. Aufgrund meiner Elektrikerlehre war dies ein Leichtes für mich. Einige Mängel (Keine Aderendhülsen in den Steckern verwendet!) konnten direkt beseitigt werden. Nachdem ich einen guten Eindruck hatte, steckte ich den Netzstecker ein und maß mit meinem Messgerät sämtliche Stromausgänge. Der Motor für die oben beschriebene Deklinationsachse bekam 12V. Am Stecker für die beiden Synchron-Motoren, die die Rektaszension nachführen, maß ich 300V. Dieser Wert kam mir sehr hoch vor, doch nach einer Recherche in Internet wusste ich, dass es seine Richtigkeit hatte. Nun schloss ich die Steuerung an das Teleskop an. Alles lief perfekt. Alle drei Motoren schnurrten wie Kätzchen vor sich hin und ließen sich auch sehr gut ansteuern. Ich war begeistert.

Teile, die nie wieder zum Einsatz kommen werden

Der Vorbesitzer hat eine Kappe mit einer kreisförmigen Aussparung gebaut, die vorne auf den Tubus gesteckt werden kann. Es lagen auch einige Gläser aus Schweißermasken bei, die man dort seitlich einschieben konnte. Zweifellos sollte diese Konstruktion der Sonnenbeobachtung dienen. Von soetwas kann ich nur dringend abraten! Wie man die Sonne richtig beobachtet, habe ich ja bereits in meinem Beitrag „Sichere Sonnenbeobachtung mit geeigneten Sonnenfiltern“ beschrieben.

Rätselhafte Teile

Jetzt, wo alles zusammengebaut, Instand gesetzt und überprüft war, waren noch einige Teile übrig, mit denen ich zunächst nichts anzufangen wusste: Da war ein Winkelmesser aus Kunststoff, an dem eine Schnur mit einem Knopf befestigt war, ein Zielfernrohr von einem Gewehr, eine Flügelschraube, eine Unterlegscheibe und eine Aluminiumplatte mit einem roten Kunststoffteil auf der einen Seite (vermutlich ein Halter für irgend etwas) und einer Windrose auf der anderen Seite. Ich stellte mir einige Fragen: Wofür sind diese Teile? Wo werden sie angebaut? Gehören sie überhaupt dazu? Zwei Abende rätselte ich herum und zerbrach mir den Kopf darüber.

Rätselhafte TeileFoto oben: Wofür diese Teile wohl sein mögen?

Bis ich auf einmal eine Idee hatte. Mir fiel auf, dass die Aluplatte eine Aussparung und ein Loch hatte, welche genau unter die Polhöhenwiege passten. Die Aussparung war für das Steuerkabel und das Loch saß genau da, wo die Gabelmontierung mit der mittleren der drei Schrauben an der Polhöhenwiege befestigt ist. Ich nahm die besagte Schraube heraus und schraubte die Platte mit der Flügelschraube und der Unterlegscheibe fest. Das Zielfernrohr passte genau durch die Aluplatte und das Kunststoffteil. Anhand der Spuren, die die Rändelschraube in der roten Kunststoffhalterung in vergangenen Zeiten auf dem Zielfernrohr hinterlassen hatte, wusste ich auch, wie herum das Zielfernrohr hineingehörte. Alles passte so perfekt zusammen. Doch wofür war diese Vorrichtung? Ganz einfach: es ist ein Polsucher! Da das Zielfernrohr exakt parallel zur Gabel montiert ist, kann man, wenn man hindurch sieht, die Polhöhenwiege ganz einfach an Polaris einnorden. Die Windrose ist dabei eine zusätzliche Orientierung. Wenn man nun den Winkelmesser an seiner Schnur daneben hält, kann man sogar die Gradzahl der Deklination ablesen. Genial einfach, einfach genial! Rätsel gelöst.

Der PolsucherFoto oben: Der fertig montierte Polsucher

Letzte Vorbereitungen

Da das Celestron C8 nun wieder in einem beobachtungsfähigen Zustand war, konnte ich mich nun den Okularen, den Zenitspiegeln, den Linsen, dem Leitrohr und dem Tariergewicht widmen. Fast alle Teile sind Eigenbau. Die Stange für das Tariergewicht wird einfach mit drei Schrauben an die Unterseite des Tubus geschraubt. Das Gewicht wird darauf hin- und hergeschoben und mit einer Feststellschraube fixiert. Nun stand die Grundreinigung der optischen Teile an. Dabei fiel mir auf, mit welcher beeindruckenden Präzision der Vorbesitzer diese Teile gefertigt hat. Das 52mm 2″ Okular hat sogar einen Dioptrieausgleich, mit dem ein Brillenträger ohne Brille beobachten kann.

Das 2"-Okular in Selbstbauweise Foto rechts: Das 2″ 52mm Okular in Selbstbauweise und ein Lego-Astronaut zum Größenvergleich

Auch das Leitrohr ist ein kompletter Selbstbau, hat ein Fadenkreuz und ist von beeindruckender Qualität. Auch die restlichen Okulare und Zenitspiegel sind, bis auf eines, alle aus eigener Herstellung. Es fiel nur auf, dass auf der Innenseite aller Teile das glänzende Metall eine hervorragende Reflexionsfläche bot. Deshalb schwärzte ich sie alle mit schwarzen Velours. Bemerkenswert ist auch der 1,25″ Zenitspiegel. Hierbei handelt es sich um einen Prismenspiegel in Eigenbauweise. Nachdem alles Isopropanol (auch: Isoprpylalkohol) gereinigt war, konnte es zum ersten Mal rausgehen. Da wir an diesem Tag eine geschlossene Wolkendecke hatten, blieb nur der Test bei terrestrischer Beobachtung. Jeder in Unkel hätte den Freudenschrei hören müssen, als ich zum ersten mal ein gestochen scharfes Bild der Erpeler Ley im 2″ Okular hatte. Ich testete noch alle anderen optischen Teile und stellte das Leitrohr ein. Alles machte einen richtig guten Eindruck und ich freute mich schon auf die nächste klare Nacht.

Die ersten Beobachtungen

Teleskop Phoenix und der Blick zum MondEinige Tage später hatten wir nachts einen klaren Himmel und ich baute das C8 in der Dämmerung draußen auf. Als es endlich dunkel war, warf ich einen ersten Blick durch das Teleskop. Die Enttäuschung war groß. Sämtliche Sterne, auch Jupiter hatten einen Schweif und sahen wie Kometen aus. Ganz übel. Die bei der Unter- oder Überfokussierung entstandenen Beugungsringe wiesen auf einem Drittel eine starke Verdickung auf. Sollte all die ganze Arbeit um sonst gewesen sein? Nein! Ich forschte ein wenig nach, und fand heraus, dass die Optik nicht kollimiert war. Also watete ich bis zur nächten klaren Nacht, um die Optik an einem hellen Stern zu kollimieren. Und das gelang auch!

Es war die Nacht vom 07.04. auf den 08.04.2013 als das etwa 30 Jahre alte Celestron C8 wieder gestochen scharfe Bilder lieferte. Ich war so überglücklich und hüpfte vor Freude lachend umher, wie ein kleines Kind. Ich bekam regelrecht feuchte Augen. Die Optik, die Mechanik, die Elektronik und der Polsucher, alles funktionierte perfekt!

Wahnsinn, das Second Light war endlich geglückt. Nun bekam das Teleskop auch seinen Namen: „Phönix„. Bei mir haben alle Teleskope traditionell einen Namen. Für dieses war „Phönix“ (aus der Asche..) einfach passend. Die Namen „Phönix“ und die Sternfreunde Siebengebirge habe ich mit Lack auf dem Tubus verewigt.

Einige Tage später unternahm ich den ersten „Mondspaziergang“ mit Phönix. Es war atemberaubend. Diese Vergrößerung, diese Schärfe, die Nachführung und die Steuerung! Alles funktioniert wieder perfekt.

Daniel Bockshecker am Teleskop PhönixFoto oben: Phönix, aufgebaut auf meiner Dachterrasse

Schlusswort

Zu allererst möchte ich meinem sehr lieben Freund und Gründer der Sternfreunde Siebengebirge, Christian Preuß, für die Schenkung des Teleskops ganz herzlich danken. Ohne ihn wäre all dies nicht möglich gewesen. Ich selbst bin an diesem Teleskop gewachsen und habe mir einiges an Wissen über Schmidt-Cassegrain-Teleskope aneignen können. Wenn jemand Fragen zu Refraktoren, Newton-Teleskopen oder Schmidt-Cassegrain-Teleskopen hat, beantworte ich sie gerne oder helfe vor Ort. Phönix werdet Ihr sicherlich bei einem der nächsten Treffen selbst einmal sehen können.

Clear skies,

Euer Sternfreund Daniel Bockshecker

Linktipp: Lesen Sie auch den ersten Teil von Daniel Bocksheckers Bericht.

 

Nachtrag der Redaktion:

Christian Preuß Lieber Daniel,
ich freue mich heute ganz besonders, dass ich das alte Teleskop in die richtigen und kompetenten Hände gegeben habe. Mir scheint, „Phönix“ hat einen neuen und würdigen Sternfreund gefunden, der es versteht und lieb gewonnen hat. Daniel hat wirklich ganze Arbeit geleistet und sein lebendiger Bericht lässt uns Sternfreunde daran teilhaben. Darüber freue ich mich sehr und bedanke mich!

Danken möchte ich auch, und ganz ausdrücklich, dem lieben Spender dieses Teleskops, Herrn Becker aus Lohmar, der mir das alte „Sternenrohr“ aus seinem Keller geschenkt hat, bevor es auf dem Schrott gelandet wäre. Herzlichen Dank! – Ihr und Euer Sternfreund Christian Preuß

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